Kinder unserer Zeit
Zwei Oratorien, die unter dem Eindruck des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, standen am 14. Juni 2009 auf dem Programm eines gemeinsamen Konzertes vom Philharmonischen Chor der Stadt Bonn und dem Bach-Verein Köln:
Michael Tippetts „A Child of Our Time“ sowie Frank Martins „In Terra Pax“ in der Kölner Philharmonie.
Der Dirigent Thomas Neuhoff nahm dieses Konzert zum Anlass, erneut ein groß angelegtes Schülerprojekt in Bonn und Köln ins Leben zu rufen – es hieß “Kinder unserer Zeit”. Damit führte er die erfolgreiche Schülerarbeit der letzten Jahre weiter.
Hier können Sie sich die Abschlussdokumentation als pdf-Dokument ansehen bzw. herunterladen.
Projektförderung
„Kinder unserer Zeit“ wurde gefördert von der Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung.
Die Idee
Von Februar bis Mai 2009 beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler aus Bonner und Kölner Schulen mit der Frage, was es für sie bedeutet, hier und heute Kinder unserer Zeit zu sein. Im Deutschunterricht wurden sie ermutigt, ihre Alltagserfahrungen in Texte zu fassen; Ausgrenzung, Gewalt in Familie und Schule, Armut, Rassismus, Religion und Toleranz konnten dabei Themen sein. Im Kunstunterricht und in Theater-AGs konnten die Themen körperlich und sinnlich erfahrbar umgesetzt werden, im Geschichtsunterricht – in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit – erfuhren die Kinder und Jugendlichen historisches Bewusstsein nicht nur kognitiv, sondern durch die Verknüpfung mit eigenem Erleben auch emotional. Im Musikunterricht schließlich vertonten die Schülerinnen und Schüler die entstandenen Texte, angeregt und beraten von Thomas Neuhoff und dem Komponisten David Graham. Beteiligt waren neben den jeweiligen Lehrern die Theaterpädagogin Kerstin Baldauf, der Kompositionsstudent Rabih Lahoud und der Trommler Ansu Yeboah.
Beteiligte Schulen
In jeder der sechs Schulen entstanden ganz eigene Werke, in Zusammenarbeit mit den engagierten LehrerInnen und Lehrern, den beteiligten Künstlern und abhängig vom Alter und der Kreativität der Schülerinnen und Schüler.
- Gemeinschaftshauptschule Wachtberg (drei Klassen 9)
- Hauptschule am Römerkastell Bonn (Klasse 7)
- Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn (Klasse 5)
- Gemeinschaftsgrundschule Soldiner Strasse Köln Lindweiler (Klasse 4)
- Gymnasium der Stadt Kerpen – Europaschule (Klasse 6)
- Konrad-Adenauer-Gymnasium Bonn (Stufe 12)
Bei Abschlussveranstaltungen zum Schülerprojekt „Kinder unserer Zeit“ führten die Kinder und Jugendlichen ihre entstandenen Werke selbst auf oder präsentieren diese auf ihre eigene Weise. Höhepunkt war dabei der Auftritt beim Kindertag in der Kölner Philharmonie am 21. Mai 2009!
GHS Wachtberg
An der GHS Wachtberg waren drei Klassen 9 (die gesamte Jahrgangsstufe) beteiligt. Die erste Kontaktaufnahme erfolgte bereits im November/ Dezember 2008: An einem Projekttag lernten Thomas Neuhoff sowie Ansu Yeboah (afrikanische Trommeln) die Jugendlichen kennen und vermittelten ihnen erste musikalische Ausdrucksmöglichkeiten. In der ersten Jahreshälfte 2009 fanden sechs Projekttage statt: 25./26./27. Februar, 3./4. April, 11. Mai Generalprobe und Schul-Aufführung.
Hauptschule am Römerkastell in Bonn
Die Hauptschule am Römerkastell in Bonn besuchen nur 230 SchülerInnen, davon hat die Mehrheit einen Migrationshintergrund. Auch die wenigen deutschstämmigen SchülerInnen stammen aus eher bildungsfernen Familien. Die Kinder müssen sich in ihrem Alltag häufig mit Rassismus und Gewalt auseinandersetzen. Hier setzt das Projekt „Kinder unserer Zeit“ an:
Im Fach Deutsch arbeitet die Klasse 7a zum Thema Jugend und Alltagserfahrungen. InKunst stellen sie ihre Zukunftsvisionen als „Mein Traumzimmer“ in einem Karton dar. Die SchülerInnen werden angeregt, ihre eigene Situation zu reflektieren und auch zu dokumentieren, ihre Vorbilder kritischer zu sehen und so den Weg zu sich selbst und zu neuem Selbstbewußtsein zu finden. Die Aussagekraft der Bilder soll diesen Prozess stärkend begleiten. Die Gestaltung der Kartons zeigt auf, wie mit Abfallprodukten Phantasie- und Zukunftswelten geschaffen werden, die ihren ganz eigenen Charme entfalten, gleichzeitig auch die Situation dieser Kinder in ihrer Zeit spiegeln. Die Kartons sind fotografiert und werden der Dokumentation zugeordnet mit den Kommentaren der Produzenten.
In Geschichte werden Rollenspiele zum Thema Eigen- und Fremderfahrungen durchgeführt, außerdem entwickeln die Jugendlichen ein Brettspiel zur Frage “Wie werde ich ein Demokrat”. Alle SchülerInnen nahmen am 5. Februar 2009 an einer Führung durch das Kölner NS-Dokumentationszentrum (El-De-Haus) teil; einen Teil der Gruppe führte der türkische Schriftsteller Doghan Akhanli, der selbst in seiner Heimat verfolgt wurde.
Im März wird dann das „Ghettoleben“ in Tannenbusch Thema sein, Lebensrealität vieler SchülerInnen, die auch in Kontrast gesetzt wird zum Ghettoleben in der NS-Zeit. Daraus sollen ein Film bzw. eine Power-Point-Präsentation entstehen. Diese Inhalte ergänzen das Komponieren im Musikunterricht:
Hier wurden zunächst Übungen zum Hören und Klangexperimente durchgeführt; nach mehreren Kennenlern-Terminen mit der ganzen Klasse sind 16 interessierte Kinder bei Thomas Neuhoff und David Graham verblieben und erarbeiten in Zusammenarbeit mit den beteiligten LehrerInnen in Kleingruppen nun seit Januar 2009 eigene Ausdrucksmöglichkeiten.
Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn
Die Bläserklasse ist etwas besonderes: jedes Kind lernt hier im Klassenverband ein Blasinstrument. Normalerweise übt der Klassenlehrer Till Habel-Thomé mit den Kindern Big-Band-Stücke, in der Arbeit mit David Graham haben die Kinder jedoch seit 9. Februar in Kleingruppen selbst komponiert, das heißt: selbst geschriebene Gedichte zu jedem Wochentag vertont (Termin regelmäßig Montag die 4. und 5. Stunde). Sie hatten vorher Klänge, Impulse, Rhythmen ausprobiert. Entstanden sind ganz unterschiedliche und eindrucksvolle Klangerlebnisse von einsamen, aber auch frohen Momenten, aufgeschrieben und festgehalten in einer besonderen Partitur und von der ganzen Klasse einstudiert und aufgeführt.