Eine Bonner Institution feiert Geburtstag
Ein Überblick über die 150-jährige Geschichte des Philharmonischen Chores der Stadt Bonn e.V.
Zum 100-jährigen Jubiläum erschien Theodor Anton Henselers Essay “Der Bonner Städtische Gesangverein – Vorgeschichte, Gründung und Chronik 1852 – 1952”. Den Essay hatte der Bonner Musikforscher als “Beitrag zur Musikgeschichte der Beethovenstadt” in Band VII der “Bonner Geschichtsblätter” 1953 veröffentlicht, und er war auch als Sonderdruck erschienen. Im Festheft anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Philharmonischen Chores fasste der verdiente Redakteur des General Anzeigers Hans-G. Schürmann die ersten 100 Jahre anhand des Beitrags von Henseler zusammen und legte den Schwerpunkt auf die folgenden 25 Jahre. Beide Arbeiten sind im Stadtarchiv und im Schumannhaus (s. Literaturliste) einsehbar. Daher sollen diese 125 Jahre in der Geschichte des Philharmonischen Chores heute zum 150. Geburtstag nur gestreift und näher auf die letzten 25 Jahre eingegangen werden, die einige Veränderungen für den Chor mit sich brachten.
Nach der Säkularisation und der damit verbundenen Auflösung des Kurstaates 1803 hat es an Versuchen nicht gefehlt, einen kontinuierlichen, sich selbst tragenden öffentlichen bürgerlichen Konzertbetrieb ins Leben zu rufen. Sie scheiterten – neben dem Fehlen eines geeigneten großen Konzertsaales – an der Zersplitterung der musikalischen Kräfte in verschiedene Chöre (bei einer Einwohnerschaft zwischen 11 000 (1825) und 17 500 (1858)), aber auch an dem konkurrierenden Führungsanspruch zweier Chorleiter, des Professors für Musik(wissenschaft) Heinrich Karl Breidenstein und seines musikalisch gebildeten Professur-Kollegen für Altphilologie Friedrich Heimsoeth. Keiner von beiden war die allseits akzeptierte Persönlichkeit, die die musikalischen Kräfte Bonns auf Dauer zusammenbringen konnte. Das gelang wohl unter der Generaldirektion von Franz Liszt beim Beethovenfest 1845, bei dem das Denkmal auf dem Münsterplatz enthüllt wurde. Danach wurden wieder eigene Wege gegangen, bis 1847 eine Zusammenarbeit der Chöre der beiden Leiter, zu einem Gedenkkonzert anlässlich Mendelssohns Tod mit dessen neuem Elias, zustande kam. Sie wurde jedoch gleich durch die Ereignisse der Revolution von 1848/49 unterbrochen. Auch stellte die 1848 erfolgte Aufnahme eines regelmäßigen privatgeschäftlichen Theater- und Opernbetriebes in dem von einer Bonner Theaterverein AG erbauten Haus (in der heutigen Theaterstraße am Platz des Finanzamtes) etwas Neues dar, das viele Kulturinteressierte band. Trotzdem erfolgten bis 1851 gemeinsame Aufrufe der beiden Chorleiter, mit denen sie zur Probenarbeit für die Winterkonzerte einluden. Insbesondere in der Saison 1851/52, die nach einem Kommentar in der Bonner Zeitung als Neuanfang deklariert wurde, schienen die Bemühungen von Erfolg gekrönt. Doch soll es nach Henseler am Ende der Konzertsaison zu einem Zerwürfnis zwischen Heimsoeth und seinem Chor gekommen zu sein. Die Zusammenarbeit der Chöre wurde aufgekündigt.
Offenbar sah Heimsoeth ein, dass das Ziel eines kontinuierlichen öffentlichen Musiklebens nur durch seinen Rückzug von der Direktion eines Chores und dessen Übernahme durch einen Nicht-Bonner zu erreichen sei, und betrieb das Engagement von Joseph von Wasielewski als Dirigent eines neu zu gründenden Gesangvereins.
Ein aus den Vorständen der verschiedenen Musikvereine und von Wasielewski gebildetes “Konzertkomité” kündigte am 4.November 1852 vier Abonnementskonzerte für die Wintersaison an. Am 11.11. lud es zur ersten “Übung” in den Rathaussaal, am 1.12. war das erste Konzert.
Heimsoeths Rechnung ging auf. Der neben den übrigen Vereinen agierende neue Chor entwickelte sich zum eigentlichen Träger des musikalischen Lebens in Bonn. Und mit von Wasielewski beginnt die fortwährende Reihe von Chordirektoren, die ab 1859 Städtische Musikdirektoren waren. Es folgten: 1855-´61 Albert Dietrich, 1861-´69 Caspar Joseph Brambach, 1869-´84 von Wasielewski, 1884-´98 Leonhard Wolff (er wurde statt Engelbert Humperdinck genommen), 1898-1922 Hugo Grüters (Mitbewerber: Max Reger), 1922-´30 Friedrich Max Anton (wegen Krankheit Gastdirigenten, u.a. G. Classens). 1930-´33 aus finanziellen Gründen Interimszeit mit Hans Wedig als provisorischen Leiter des Chores, 1933-´49 Gustav Classens, 1949-´57 Otto Volkmann, 1957-´78 (´79) Volker Wangenheim. Seit 1963 ist der Titel “Generalmusikdirektor”.
Ab 1979 untersteht die Einstudierung des Chores einem Chordirektor: 1979-´82 Rüdeger Füg, 1982-´84 Julius Asbeck, seit 1984 Thomas Neuhoff, der schon seit 1982 Assistent war (noch bei Füg) und einige Werke in Vertretung von Asbeck einstudierte.
Generalmusikdirektoren waren seitdem: 1979-´82 Jan Krenz, 1983-´85 Gustav Kuhn; vorzeitige Vertragsauflösung mit anschließender bedächtiger Nachfolgerwahl; 1987-´95 Dennis Russel Davies, seit 1995 Marc Soustrot, dessen Nachfolger 2003 Roman Kofman wird.
Jährlich im Herbst für die 4 – 6 Abonnementskonzerte der Wintersaison zusammengerufen, trat der Chor im ersten Jahrzehnt seines Bestehens als Chor des Konzertkomités, Concert-Verein und als Städtischer Singverein auf. Der Name Städtischer Gesangverein wurde 1861 angenommen und stand in Verbindung mit einer Änderung der Statuten des Chores, um ihn – wie dies schon im Vertrag mit dem ersten Musikdirektor vereinbart worden war – zu einer ständig probenden Einrichtung zu machen, damit sich die Qualität bessere. Die Hoffnung auf ganzjährige Proben erfüllten sich jedoch lange Jahre nicht. Die Zeit von November bis April blieb die Konzertsaison (noch heute dauert eine Spielzeit von Sommer zu Sommer), bis ab 1902 “Musiktage” zweijährig jeweils im Mai veranstaltet wurden. Bei einer Probe von zwei Stunden pro Woche musste der Chor schnell lernen, denn es ist beachtlich, wie dicht die Konzerte in solchen “Konzertwintern” aufeinander folgten. Wenn es eng wurde, konnte es aber auch schon mal tägliche Proben geben. Die Leistungen des Chores – und des Orchesters – waren allerdings immer wieder Anlass für schlechte Kritiken. Die Musikdirektoren wiesen dann in Entgegnungen darauf hin, dass die Musikausübenden Laien seien und dass kein absoluter Maßstab angelegt werden dürfe.
Die ‚alte’ Beethovenhalle an der heutigen Berliner Freiheit (Foto vom Beethovenfest 1927) war ein Holzbau mit ausgezeichneter Akustik. Sie wurde 1870 für das Musikfest zum 100.Geburtstag Beethovens gebaut, das jedoch wegen des deutsch-französischen Krieges ein Jahr später statt fand. Zur Einweihung 1870 erklang u.a. Die Ruinen von Athen von Beethoven, noch beim Beethovenfest 2001 vom Philharmonischen Chor aufgeführt.
Für die Aufführungen konnten die Musikdirektoren zunächst auf den Beethoven-Verein, deren Leiter sie ebenfalls waren, zurückgreifen, ein kleines Dilettanten-Orchester, das 1850 gegründet worden war und durch Musiklehrer und Kölner Musiker aufgestockt wurde. Später wurde auf kleine einheimische oder auswärtige Berufsorchester und Militärkapellen zurückgegriffen (Bonn war Garnisonsstadt). Nachdem es schon 5 Jahre lang für die Winterkonzerte in städtischen Diensten gestanden hatte (in der Sommersaison spielte es weiterhin in dem damaligen Weltbad Kreuznach), schloss die Stadt 1912 einen Vertrag mit dem Kurorchester von Heinrich Sauer über eine ganzjährige feste Anstellung. Das hatte zwei Konsequenzen: Erstens gab es jetzt neben dem Musikdirektor den Kapellmeister des Orchesters H. Sauer und zweitens lag die Programmplanung und Durchführung von Orchesterkonzerten nicht mehr beim Städtischen Gesangverein.
Der Chor wurde “Verein” genannt – mit Mitgliedsbeiträgen, die zeitweise recht hoch waren, so dass sie sich nur die gehobenen bürgerlichen Stände leisten konnten -, hatte jedoch einen Vorstand, der nicht von den Mitgliedern gewählt, sondern ein Club für sich war (der Mozartbiograph Otto Jahn gehörte ihm 1855-´61 an). Der Oberbürgermeister war seit der Einrichtung der Musikdirektorenstelle 1859 der Vorsitzende. Durch die Statuten von 1879 – 1899 und 1912 geringfügig geändert – wurde u.a. die Zusammensetzung des Vorstands neu geregelt: ihm gehörten der Oberbürgermeister, der Musikdirektor, fünf (1912 acht) von der Stadt für 2 Jahre ernannte und vier vom Verein (1899: für 4 Jahre) gewählte Mitglieder an.
Mit ihren Vertretern im Vorstand sollten sich die Chormitglieder mehr mit dem Verein identifizieren, denn die Chorleiter hatten immer wieder über schwankende Mitgliederzahlen zu klagen. Das betraf besonders die Männerstimmen, die sich einerseits (vor allem bis zum Ersten Weltkrieg) vornehmlich aus der Studentenschaft rekrutierten und einer ständigen Fluktuation unterworfen waren (so gehörte der Student Friedrich Nietzsche 1864/65 dem Chor an; nicht wissend, ob er Musiker oder Philologe werden sollte, legte er dem damaligen MD Brambach seine Lieder zur Begutachtung vor …). Andererseits band der Männergesangverein Concordia gesangbegeisterte Herren. Zudem war der Probenbesuch unregelmäßig. Bei den Frauenstimmen warfen zeitweise Scharen von Anfängerinnen zu Beginn der Probenzeit im Herbst das in der Vorsaison erreichte Niveau zurück, so dass ein Vorbereitungskurs (1871) durchgeführt bzw. die Einrichtung einer Chorschule angeregt wurde (1891).
In der Zeit der Weimarer Republik übernahm ein aus den Stadtverordneten gewählter “Musikausschuss” die vorher vom Vorstand besorgten Aufgaben der Konzertorganisation, Programmgestaltung und Solistenverpflichtung. Gustav Classens musste Chor und Orchester im “Dritten Reich” dem Kulturdezernat unterstellen, das die Finanzierung der Konzerte übernahm und damit auch die vorher vom “Musikausschuss” wahrgenommenen Aufgaben. Eine auf das “Führerprinzip” aufgebaute Satzung trug dem Rechnung: Der Vorstand hieß jetzt “Führerrat”, dessen Vorsitzender der “Vereinsführer” war. Direkt im Februar 1933 wurde zwei Damen mitgeteilt, dass ihre ‚Anwesenheit wegen ihrer “nicht-arischen” Abstammung nicht mehr erwünscht sei’. Es gelang Classens jedoch durch geschicktes Taktieren, weitergehende Beeinflussungen von NSDAP und deren Organisationen vom Chor fernzuhalten.
Die Aufbauarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Volker Wangenheim fort, indem er das Qualitätsniveau des Chores zunächst vor allem mit Barockwerken zu heben trachtete. In seine Ära fiel auch die Umbenennung des Städtischen Gesangvereins in Philharmonischer Chor der Stadt Bonn im Jahr 1966 als Ausdruck des Selbstverständnisses des künstlerisch gereiften Konzertchores der Bundeshauptstadt. In der Verleihung der Willi-Engels-Medaille in Gold als Anerkennung für Verdienste auf dem Gebiet der deutschen Chorpflege 1978 kann die Krönung der Arbeit Wangenheims mit dem Chor gesehen werden.
Da dem Generalmusikdirektor seit 1979 zugestanden wird, Engagements außerhalb Bonns wahrzunehmen, wurde die Einstudierung des Chores vom Amt des Musikdirektors getrennt. Diese Aufgabe versah bis 1989 ein von der Stadt bezahlter Chorleiter. Aus Haftungsgründen bei zunehmend auch eigenveranstalteten Konzerten ist der Chor seitdem in Absprache mit der Stadt ein selbständiger eingetragener Verein, der den Chordirektor beschäftigt. Sein nun vollständig für 2 Jahre von der Vollversammlung gewählter Vorstand besteht aus dem/der Vorsitzenden, Schriftführer/in, Schatzmeister/in und je 2 vom Gesamtchor vorgeschlagenen und von der jeweiligen Stimmgruppe bestimmten Vertretern. Dazu dem Chordirektor, der jedoch nicht stimmberechtigt ist. Vorsitzende waren in den letzten 25 Jahren 1976-´79 Wolfgang Rieck, 1979-´87 Engelbert Waechter, 1987-´95 Jürgen Heinen. Seit 1995 steht Susanne König dem Chor vor.
Der Philharmonische Chor finanziert seine Arbeit durch einen städtischen Zuschuss, sowie über Honorare für die Beteiligung bei Konzerten anderer Veranstalter, wie dem Orchester der Beethovenhalle. In der Mitwirkung bei städtischen Chorkonzerten sieht der Chor auch heute noch seine Hauptaufgabe. Auch wenn es seitens der Stadt keine Verpflichtungs-Erklärung gibt, erkennt diese den Philharmonischen Chor als ihren aus der Tradition erwachsenen Konzertchor an. Er wird engagiert, wenn er nach der Meinung des GMD die klanglichen Vorstellungen erfüllen oder den Schwierigkeitsgrad eines (insbesondere zeitgenössischen) Werkes bewältigen kann.
Der Qualitätsstand ist durch eine Verjüngungskur Mitte der Achtziger Jahre, verpflichtende Stimmbildungsmaßnahmen seit der Ära Davies und Stimmprüfungen der Eintrittsbewerber beständig gehoben worden. Immer noch ein Laienchor kann sich der Philharmonische Chor inzwischen als semiprofessionell bezeichnen. Er veranstaltet eigene Konzerte unter der Leitung von Thomas Neuhoff, auch in Kammerchorbesetzung. Immer wieder kommt es zur Zusammenarbeit mit der Auerberger Kantorei, die Th. Neuhoff fast ebenso lange leitet, wie den Philharmonischen Chor. Daneben wird es in Zukunft gemeinsame Konzerte mit dem Chor des Bach-Vereins Köln geben, deren Leitung Neuhoff im Frühjahr 2002 ebenfalls übernommen hat. Auf dem Programm stehen neben dem traditionellen Repertoire von Barock bis Romantik selten zu hörende Werke der Spätromantik und des 20.Jahrhunderts. In Bonner Erstaufführungen erklangen zwischen 1991 und ´95 drei Oratorien von Edward Elgar, von denen der WDR zwei mitschnitt, 1996 Das Buch mit sieben Siegeln von Franz Schmidt, 1998 Das klagende Lied von Gustav Mahler. Der historischen Aufführungspraxis verpflichtet waren Wiedergaben der Matthäus- und Johannes-Passion Bachs (1995 bzw. ´97) sowie Mendelssohns Paulus (1997) zusammen mit der Johann-Christian-Bach-Akademie. Händels Messiah (1993) und Israel in Egypt (1994) wurden in der englischen Originalversion gegeben. In den letzten Jahren hat sich Th. Neuhoff mit dem Chor auch die Musik der Renaissance erschlossen mit Monteverdis Marienvesper (1995) und Motetten aus dieser Zeit (2001).
Ein besonderes Anliegen sind die “Konzerte gegen das Vergessen”, angefangen 1993 zum 55. Jahrestag der Pogromnacht mit A Child of Our Time von Michael Tippett bis aktuell am 27.Januar 2003, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, mit “Verfemter Musik”.
Wohl sind die Choristen stolz, in städtischen Konzerten und auswärtigen Engagements mit namhaften Solisten, Orchestern und Dirigenten zusammen musizieren zu können. Sie schätzen sich jedoch besonders glücklich, wenn sie auf die Reihe junger Künstler blicken, die Th. Neuhoff mit untrüglichem Gespür am Beginn ihrer Karriere für die eigenen Konzerte verpflichtete.
Die erfolgreichen Aufführungen ziehen neue Sängerinnen und Sänger an, so dass der Chor auch über eine Beteiligung der Herren nicht klagen kann und insbesondere eine stattliche Tenorriege aufzuweisen hat. Der Männerchor war denn auch nach dem Beginn der Zusammenarbeit beider Gesamtchöre mit dem Düsseldorfer Musikverein in Hamburg und Amsterdam (1989). Im gleichen Jahr folgte der Chor einer Einladung nach Japan und sang mit 10 000 (!) Menschen Beethovens Neunte Sinfonie. Die Mitwirkung beim Flandernfestival stand 1994 auf dem Programm. Weitere Konzertreisen und Engagements führten nach Schweden, Frankreich und Städte in Nordrhein-Westfalen. Unterschiedlich intensiv wird der Kontakt mit dem Partnerchor Oxford Harmonic Society in gemeinsamen Konzerten in Bonn und Oxford gepflegt, beginnend mit einer legendären Aufführung der Carmina Burana mit Brass-Band in der Oxforder Town-Hall 1985. Der vorläufige Höhepunkt war ein Galakonzert anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Partnerschaft beider Städte 1997 mit der englischen Originalfassung von Mendelssohns Elias in Bonn.
Sein Jubiläumsjahr beging der Philharmonische Chor mit zahlreichen Konzerten, die die Stadt Bonn und die Internationale Beethovenfeste GmbH unter das Motto 150 Jahre Philharmonischer Chor stellte. So wurden die Carmina Burana, Schumanns Das Paradies und die Peri (am 4.12.1853 als brand-neues Werk zum ersten Mal in Bonn aufgeführt), Mozarts Requiem und – schon fast traditionell zum Jahresende – Beethovens Neunte Sinfonie dargeboten. Das städtische Familienkonzert mit weihnachtlicher Musik aus Europa wurde von Th. Neuhoff geleitet. Dazu kam noch eine Schulaufführung der Carmina Burana, um Kinder und Jugendliche an die klassische Musik heranzuführen (dieser Gang in die Schulen soll beibehalten werden), und eine Darbietung von Auszügen desselben Werks beim Medienfest der Sender Phoenix und Deutsche Welle auf dem Museumsplatz.
Der Philharmonische Chor selbst feierte sein Jubiläum mit einer Bonner Erstaufführung der Messe des Lebens von Frederick Delius nach Nietzsches Zarathustra. Er führte damit sein Engagement für selten aufgeführte Werke englischer Komponisten fort. Die Entscheidung für das Werk bestätigte die Entdeckung, dass Friedrich Nietzsche und die heute 92-jährige Evelin Gerhardi, die als junge Frau zur Entstehungszeit der Messe dem schwerkranken Delius vorgelesen hatte und Informationen aus erster Hand liefern konnte, Mitglieder im Städtischen Gesangverein / Philharmonischen Chor gewesen sind. Neben jungen Solisten musizierte das Philharmonische Orchester Köln, ein Ensemble aus Mitgliedern des WDR-SinfonieOrchesters, mit dem der Chor schon einige Werke aufgeführt hat. Das Konzert wurde vom WDR mitgeschnitten und 1.4.2002 gesendet.
Wegen des dicht gedrängten Programms wird der Kammerchor seinen Beitrag zum Jubiläumsjahr erst am 22.Februar 2003 mit einem Hugo-Wolf-Abend anlässlich von dessen hundertsten Todestag im Kammermusiksaal des Beethovenhauses leisten.
150 Jahre Städtischer Gesangverein / Philharmonischer Chor der Stadt Bonn e.V. – nach dem schwierigen Akt der Gründung und Einstellung eines städtischen Musikdirektors, schwankenden Mitgliederzahlen im ersten Halbjahrhundert, Musikdirektoren, die umstritten waren, weil sie angeblich nicht modern genug waren, schweren Kriegs- und wirtschaftlichen Krisenzeiten, Jahren des Taktierens in der Diktatur, der glänzenden Epoche als Konzertchor der Bundeshauptstadt und der Umwandlung in einen selbständigen eingetragenen Verein mit eigenverantworteten Konzerten, dessen bisher größtes das Jubiläumskonzert mit Frederick Delius’ Messe des Lebens ist: der in 1 ½ Jahrhunderten wechselvoller Geschichte auch Dank der künstlerischen und politischen Leiter bewiesene Selbstbehauptungswille gibt dem Philharmonischen Chor, trotz reduzierter Bundesmittel und angespannter städtischer Haushaltslage, – et hätt noch immer joot jejange, schließlich leben wir im Rheinland – Zuversicht für die Zukunft.
Text: Eric F. Lange, MA
Literatur
- Theodor Anton Henseler: “Der Bonner Städtische Gesangverein – Vorgeschichte, Gründung und Chronik 1852 – 1952”, Bonn 1953, Sonderdruck aus “Ein Beitrag zur Musikgeschichte der Beethovenstadt” in Band VII der “Bonner Geschichtsblätter”, Bonn 1953
- Theodor Anton Henseler: “Das musikalische Bonn im 19.Jahrhundert – aus Anlaß der Einweihung der neuen Beethovenhalle am 8.September 1959”, Bonn 1959. Auch als Jahrbuch des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins “Bonner Geschichtsblätter” Band 13 erschienen
- Hans-G. Schürmann: “Der Philharmonische Chor der Stadt Bonn in Geschichte und Gegenwart. Zur Chronik der Jahre 1952-1977 aus Anlaß des 125jährigen Bestehens des Chores im Dezember 1977”, in Band 30 der “Bonner Geschichtsblätter”, Bonn 1978, auch als Sonderdruck/Festschrift vorliegend
- Werner Schulz-Reimpell: “Vom kurkölner Hoftheater zu den Bühnen der Bundeshauptstadt – 125 Jahre Bonner Stadttheater”, Bonn 1983
- Edith Ennen/Dietrich Hörold: “Kleine Geschichte der Stadt Bonn”, Bonn 21968
- Zeitungsannoncen in der “Bonner Zeitung/Bonner Wochenblatt” von 1852