Chronik

Eine Bonner Institution feiert Geburtstag

Ein Überblick über die 170-jährige Geschichte des Philharmonischen Chores der Stadt Bonn e.V.

Die Basis zu diesem Überblick bildet der Festbeitrag zum 150. Geburtstag des Chores von 2002. Seitdem gab es personelle Veränderungen bei Stadt und Chor sowie großartige Konzerte. In der vorliegenden Version wurde der Beitrag entsprechend aktualisiert.

Die Quellen

Zum 100-jährigen Jubiläum erschien Theodor Anton Henselers Essay „Der Bonner Städtische Gesangverein – Vorgeschichte, Gründung und Chronik 1852 – 1952“. Der historische Rückblick des Bonner Musikforschers erschien unter dem Titel „Beitrag zur Musikgeschichte der Beethovenstadt“ in Band VII der „Bonner Geschichtsblätter“ 1953 sowie als Sonderdruck. Im Festheft anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Philharmonischen Chores fasste der langjährige Redakteur des General Anzeigers Hans-G. Schürmann die ersten 100 Jahre auf der Grundlage des Beitrags von Henseler zusammen und legte den Schwerpunkt auf die folgenden 25 Jahre. Beide Arbeiten sind im Stadtarchiv und im  Schumannhaus einsehbar (s. Literaturliste).


Diese 125 Jahre in der Geschichte des Philharmonischen Chores wurden im Beitrag zum 150. Geburtstag nur gestreift, dafür jedoch näher auf die letzten 25 Jahre eingegangen, die einige Veränderungen für den Chor mit sich brachten. Solche gab es auch in den letzten 20 Jahren, was eine Aktualisierung nötig machte.

Die ersten 125 Jahre

Die Vorläufer

Nach der Säkularisation und der damit verbundenen Auflösung des Kurfürstentums Köln im Jahr 1803 hat es in Bonn an Versuchen nicht gefehlt, einen kontinuierlichen, sich selbst tragenden öffentlichen bürgerlichen Konzertbetrieb ins Leben zu rufen. Sie scheiterten – neben dem Fehlen eines geeigneten großen Konzertsaales – an der Zersplitterung der musikalischen Kräfte in verschiedene Chöre bei einer Einwohnerschaft zwischen 11 000 (1825) und 17 500 (1858). Als zusätzliches Hemmnis kam seit den 1820er Jahren der konkurrierende Führungsanspruch zweier Chorleiter hinzu, des ersten Professors für Musik(wissenschaft) in Bonn Heinrich Karl Breidenstein und des musikalisch gebildeten Lehrstuhlinhabers für Altphilologie Friedrich Heimsoeth. Keiner von beiden war jedoch die allseits akzeptierte Persönlichkeit, die die musikalischen Kräfte Bonns auf Dauer zusammenbringen konnte. Eine Ausnahme bildete das Beethovenfest 1845 unter der Generaldirektion von Franz Liszt, bei dem das Denkmal auf dem Münsterplatz enthüllt wurde. Danach wurden wieder eigene Wege gegangen, bis 1847 zu einem Gedenkkonzert anlässlich Mendelssohns Tod mit dessen frisch komponiertem Elias erneut eine Zusammenarbeit der Chöre der beiden Leiter zustande kam. Sie wurde jedoch gleich durch die Ereignisse der Revolution von 1848/49 unterbrochen. Auch stellte die 1848 erfolgte Aufnahme eines regelmäßigen privatgeschäftlichen Theater- und Opernbetriebes in dem von einer Bonner Theaterverein AG erbauten Haus in der heutigen Theaterstraße am Platz des Finanzamtes etwas Neues dar, das viele Kulturinteressierte band. Trotzdem erfolgten bis 1851 gemeinsame Aufrufe der beiden Chorleiter, mit denen sie zur Probenarbeit für die Winterkonzerte einluden. Insbesondere in der Saison 1851/52, die nach einem Kommentar in der Bonner Zeitung als Neuanfang deklariert wurde, schienen die Bemühungen von Erfolg gekrönt. Doch soll es laut Henseler am Ende der Konzertsaison zu einem Zerwürfnis zwischen Heimsoeth und seinem Chor gekommen zu sein. Die Zusammenarbeit der Chöre wurde aufgekündigt.

Offenbar sah Heimsoeth ein, dass das Ziel eines kontinuierlichen öffentlichen Musiklebens nur durch seinen Rückzug von der Direktion seines Chores und dessen Übernahme durch einen Nicht-Bonner zu erreichen sei. Daher betrieb er das Engagement von Joseph von Wasielewski als Dirigent eines neu zu gründenden Gesangvereins.

Ein aus den Vorständen der verschiedenen Musikvereine und von Wasielewski gebildetes „Konzertkomité“ kündigte am 4. November 1852 vier Abonnementskonzerte für die Wintersaison an. Für den 11. November lud es zur ersten „Übung“ in den Rathaussaal, am 1. Dezember war das erste Konzert.

Anzeige nach dem 1. Abonnementskonzert am 1.12.1852. Aus: Bonner Wochenblatt vom 4.12.1852

Heimsoeths Rechnung ging auf. Der neben den übrigen Vereinen agierende neue Chor entwickelte sich zum eigentlichen Träger des musikalischen Lebens in Bonn. Da die Beschäftigung des Chordirektors bald die finanziellen Möglichkeiten des Vereins überstieg, konnte die Stadt Bonn 1859 überzeugt werden, ihn zum Städtischen Musikdirektor zu ernennen und zu bezahlen.
Auf von Wasielewski folgten Albert Dietrich von 1855 bis 1861 und Caspar Joseph Brambach von 1861 bis 1869, danach der bewährte Joseph von Wasielewski mit einer zweiten Amtszeit bis 1884. Sein Nachfolger war Leonhard Wolff (1884-1898), den man dem Mitbewerber Engelbert Humperdinck vorgezogen hatte. Auch der folgende Chordirektor Hugo Grüters (1898-1922) hatte bei seiner Bewerbung mit Max Reger einen später berühmten Komponisten ausgestochen. Zwischen 1922 und 1930 leitete Friedrich Max Anton den Chor; ihn mussten wegen Krankheit jedoch des Öfteren Gastdirigenten wie zum Beispiel Gustav Classens vertreten. Von 1930 bis 1933 konnte die Stadt aus finanziellen Gründen mit Hans Wedig nur einen provisorischen Chorleiter anstellen. Gustav Classens amtierte seit 1933 wieder als hauptamtlicher Choreiter, 1949 gefolgt von Otto Volkmann und 1957 von Volker Wangenheim, der bis 1978/79 blieb. Unter seiner Ägide wurde 1963 der Titel „GMD“ eingeführt.

Die Chorleiter von Wasielewski, Brambach und Grüters. (Fotos aus der Festschrift von Henseler)

Da diesem seit 1979 zugestanden wird/wurde, Engagements außerhalb Bonns wahrzunehmen, gibt es seitdem für die Einstudierung des Chores einen Chordirektor, der bis 1989 von der Stadt bestimmt und bezahlt wurde.
Als GMD folgten: Jan Krenz von 1979–1982 und seit 1983 Gustav Kuhn. Nach dessen vorzeitiger Vertragsauflösung 1985 dauerte es bis 1987, ehe mit Dennis Russel Davies ein Nachfolger gefunden war. Auf ihn folgten Marc Soustrot (1995–2003), Roman Kofman (2003–2008) und Stefan Blunier (2008–2016). Nach einer Interimszeit mit Christof Prick als Verantwortlichem wurde 2017 Dirk Kaftan Generalmusikdirektor.
Chordirektoren waren: Rüdeger Füg (1979–1982), Julius Asbeck (1982–1984), Thomas Neuhoff (seit 1982 Korrepetitor bei Füg und Assistent von Asbeck, hauptamtlich seit 1984). Seit 2016 ist Paul Krämer Chordirektor.

Die letzten drei Musikdirektoren (v.l. Classens, Volkmann, Wangenheim), die auch Leiter des Chores waren
Für 50 Jahre Konzertveranstalter

Jährlich im Herbst für die vier – sechs Abonnementskonzerte der Wintersaison zusammengerufen, trat der Chor im ersten Jahrzehnt seines Bestehens als Chor des Konzertkomités, Concert-Verein oder als Städtischer Singverein auf. Der Name Städtischer Gesangverein wurde 1861 angenommen und stand in Verbindung mit einer Änderung der Statuten des Chores, um ihn – wie dies schon im Vertrag mit dem ersten
Musikdirektor vereinbart worden war – zu einer ständig probenden Einrichtung zu machen, damit sich die Qualität bessere. Die Hoffnung auf ganzjährige Proben erfüllten sich jedoch lange Jahre nicht. Die Zeit von November bis April blieb die Konzertsaison (noch heute dauert eine Spielzeit von Sommer zu Sommer), bis ab 1902 zweijährig „Musiktage“ jeweils im Mai veranstaltet wurden. Bei einer Probe von zwei Stunden pro Woche musste der Chor schnell lernen, denn es ist beachtlich, wie dicht die Konzerte in solchen „Konzertwintern“ aufeinander folgten. Wenn es eng wurde, konnte es aber durchaus tägliche Proben geben. Die Leistungen des Chores – und des Orchesters – waren allerdings immer wieder Anlass für schlechte Kritiken. Die Musikdirektoren wiesen dann in Entgegnungen darauf hin, dass die Musikausübenden Laien seien und dass kein absoluter Maßstab angelegt werden dürfe.

Die ‚alte’ Beethovenhalle an der heutigen Berliner Freiheit (Foto vom Beethovenfest 1927) war ein Holzbau mit ausgezeichneter Akustik. Sie wurde 1870 für das Musikfest zum 100.Geburtstag Beethovens gebaut, das jedoch wegen des deutsch-französischen Krieges ein Jahr später statt fand. Zur Einweihung 1870 erklang u.a. Die Ruinen von Athen von Beethoven, noch beim Beethovenfest 2001 vom Philharmonischen Chor aufgeführt.

Die ‚alte’ Beethovenhalle an der heutigen Berliner Freiheit (Foto vom Beethovenfest 1927. Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

Für die Aufführungen konnten die Musikdirektoren zunächst auf den Beethoven-Verein, deren Leiter sie ebenfalls waren, zurückgreifen, ein kleines Dilettanten-Orchester, das 1850 gegründet worden war und durch Musiklehrer und Kölner Musiker aufgestockt wurde. Später wurde auf kleine einheimische oder auswärtige Berufsorchester und Militärkapellen (Bonn war Garnisonsstadt) zurückgegriffen. Nachdem es schon fünf Jahre lang für die Winterkonzerte in städtischen Diensten gestanden hatte (in der Sommersaison spielte es weiterhin in der Kurstadt Bad Kreuznach), schloss die Stadt 1912 endgültig einen Vertrag mit dem Kurorchester von Heinrich Sauer über eine ganzjährige feste Anstellung. Das hatte zwei Konsequenzen: Erstens gab es jetzt neben dem Musikdirektor den Kapellmeister des Orchesters H. Sauer, und zweitens lag die Programmplanung und Durchführung von Orchesterkonzerten nicht mehr beim Städtischen Gesangverein.

Vereinspolitik

Zwar wurde der Chor „Verein“ genannt – mit Mitgliedsbeiträgen, die zeitweise recht hoch waren, so dass sie sich nur die gehobenen bürgerlichen Schichten leisten konnten –, hatte jedoch einen Vorstand, der nicht von den Mitgliedern gewählt, sondern ein Club für sich war. Dazu zählte u.a. von 1855–1861 auch der Mozartbiograph Otto Jahn. Der Oberbürgermeister war seit der Einrichtung der Musikdirektorenstelle 1859 der Vorsitzende. Durch die Statuten von 1879 – sie wurden 1899 und 1912 geringfügig geändert – wurde u.a. die Zusammensetzung des Vorstands neu geregelt: Ihm gehörten der Oberbürgermeister, der Musikdirektor, fünf (1912: acht) von der Stadt für zwei Jahre ernannte und vier vom Verein (1899: für vier Jahre) gewählte Mitglieder an.


Mit ihren Vertretern im Vorstand sollten sich die Chormitglieder mehr mit dem Verein identifizieren, denn die Chorleiter hatten immer wieder über schwankende Mitgliederzahlen zu klagen. Das betraf besonders die Männerstimmen, die sich vor allem bis zum Ersten Weltkrieg vornehmlich aus der Studentenschaft rekrutierten und einer ständigen Fluktuation unterworfen waren. So gehörte der Student Friedrich Nietzsche 1864/65 dem Chor an; unschlüssig, ob er Musiker oder Philologe werden sollte, legte er dem damaligen MD Brambach seine Lieder zur Begutachtung vor. Außerdem band der Männergesangverein Concordia gesangbegeisterte Herren der Stadt. Zudem war der Probenbesuch unregelmäßig. Bei den Frauenstimmen warfen zeitweise Scharen von Anfängerinnen zu Beginn der Probenzeit im Herbst das in der Vorsaison erreichte Niveau zurück, so dass ein Vorbereitungskurs (1871) durchgeführt bzw. die Einrichtung einer Chorschule angeregt wurde (1891).


Wegen defizitärer Konzerte in den wirtschaftlichen Krisenzeiten der Weimarer Republik übernahm ein aus den Stadtverordneten gewählter ‚Musikausschuss‘ die vorher vom Vorstand besorgten Aufgaben der Konzertorganisation, Programmgestaltung und Solistenverpflichtung. Während der nationalsozialistischen Herrschaft musste Gustav Classens Chor und Orchester dem Kulturdezernat unterstellen, das die Finanzierung der Konzerte übernahm und damit auch die vorher vom ‚Musikausschuss‘ wahrgenommenen Aufgaben. Eine auf das ‚Führerprinzip‘ aufgebaute Satzung trug dem Rechnung: Der Vorstand hieß jetzt ‚Führerrat‘, dessen Vorsitzender der ‚Vereinsführer‘ war. Gleich im Februar 1933 wurde zwei Chorsängerinnen mitgeteilt, dass »ihre ‚Anwesenheit wegen ihrer ‚nicht-arischen‘ Abstammung nicht mehr erwünscht sei«. Es gelang Classens jedoch durch geschicktes Taktieren, weitergehende Beeinflussungen durch NSDAP und deren Organisationen vom Chor fernzuhalten.


Die Aufbauarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Volker Wangenheim fort, indem er das Qualitätsniveau des Chores zunächst vor allem mit Barockwerken zu heben trachtete. In seine Ära fiel auch die Umbenennung des Städtischen Gesangvereins in Philharmonischer Chor der Stadt Bonn im Jahr 1966 als Ausdruck des Selbstverständnisses des künstlerisch gereiften Konzertchores der Bundeshauptstadt. In der Verleihung der Willi-Engels-Medaille in Gold als Anerkennung für Verdienste auf dem Gebiet der deutschen Chorpflege 1978 kann die Krönung der Arbeit Wangenheims mit dem Chor gesehen werden.

Das Foto zeigt den Philharmonischen Chor bei seinem ersten Konzert mit GMD Marc Soustrot, einer Aufführung des Requiem von Maurice Duruflé 1995, in der zweiten Beethovenhalle. In der am 8.9.1959 eingeweihten Halle finden in der Regel die städtischen Chorkonzerte statt. Durch die Programmwahl von GMD Soustrot konnte der Chor viele Werke französischer Komponisten in sein Repertoire aufnehmen. So beendete auch eine Aufführung des Oratoiums Marie-Magdeleine von Jules Massenet in der Karwoche 2003 die Zusammenarbeit. (Foto: E.-F. Seydel)

Nach dem Ende der Personalunion – Der Chor als eigenständiger Verein

Nach dem Ende der Ära Wangenheim 1978/79 war die Trennung des Generalmusikdirektors von der Leitung des Chores ein signifikantes Ereignis für den Chor und ein schwieriger Moment, denn dabei drohte die Bindung der Stadt zum Chor auf der Strecke zu bleiben. Man muss sich die Situation damals vor Augen halten: Bund und Stadt sahen in Bonn nicht mehr die nur provisorische Hauptstadt. Es wurde geklotzt, nicht gekleckert, der Bau des Hauses der Geschichte, des Kunstmuseums und der Bundeskunsthalle initiiert. Die Oper bekam mit Jean-Claude Riber einen Intendanten von internationalem Renommee. Im Laufe der Jahre traten hochkarätige Künstler nicht nur dort, sondern auch in Konzerten auf, die oftmals vom Philharmonischen Chor mitgestaltet und zu denkwürdigen Erlebnissen für die Chormitglieder wurden. Der GMD sollte von gleichem Rang wie der Opernintendant sein. Und es lag auch nahe, international bekannte Chöre zu engagieren. Das hat der Chor in den Jahrzehnten danach zu spüren bekommen, denn er wurde weniger angefragt, sowohl für die städtischen Konzerte als auch für das Beethovenfest.


Doch mit dem Fall der Mauer 1989 setzte ein Wandel ein, mit dem die Stadt noch mehr als 30 Jahre später Probleme hat. Bonn ist – auch durch das Desaster mit dem World-Conference-Center – völlig überschuldet und jede Institution, die freiwillige Leistungen der Stadt bekommt, muss bangen. Es ist fatal: durch die lange Hauptstadtförderung des Bundes haben wir uns in Bonn an ein „Luxusleben“ gewöhnt, das auch vor dem Philharmonischen Chor nicht halt macht, denn er rechnet zur Finanzierung seiner eigenen Konzerte neben den Honoraren aus den Engagements fest mit dem jährlichen Zuschuss.


Aus Haftungsgründen bei zunehmend auch eigenveranstalteten Konzerten ist der Chor seit 1989 in Absprache mit der Stadt ein selbständiger eingetragener Verein, der den Chordirektor beschäftigt. Der nun vollständig für zwei Jahre von der Vollversammlung gewählter Vorstand besteht aus dem/der Vorsitzenden, Schriftführer/in, Schatzmeister/in und je zwei vom Gesamtchor vorgeschlagenen und von der jeweiligen Stimmgruppe bestimmten Vertretern. Hinzu kommt der Chordirektor, der jedoch nicht stimmberechtigt ist. Vorsitzende waren in den letzten 45 Jahren Wolfgang Rieck (1976-1979), Engelbert Waechter (1979-1987), Jürgen Heinen (1987-1995), Susanne König (1995-2004), Michael Clausen (2004-2008), Hans-Dietrich Pallmann (2008-2015), Georg Hilpert (2015-2018), Christian Leber (2018-2020) und seit 2020 erneut Georg Hilpert.


Der Philharmonische Chor finanziert seine Arbeit durch einen städtischen Zuschuss sowie über Honorare für die Beteiligung bei Konzerten anderer Veranstalter, wie dem Orchester der Beethovenhalle, das seit 2003 Beethoven Orchester Bonn heißt. In der Mitwirkung bei städtischen Chorkonzerten sieht der Chor heute noch seine Hauptaufgabe. Auch wenn es seitens der Stadt keine Verpflichtungs-Erklärung, sondern lediglich mündliche Zusagen gibt, erkennt diese den Philharmonischen Chor als ihren aus der Tradition erwachsenen Konzertchor an. Er wird engagiert, wenn er nach der Meinung des GMD die klanglichen Vorstellungen erfüllen oder den Schwierigkeitsgrad eines Werkes bewältigen kann. Dies gilt insbesondere für zeitgenössische Musik.


Dass die Stadt zu diesen Zusagen steht, ist keine Selbstverständlichkeit. Besonders die Vorsitzenden Engelbert Waechter und Jürgen Heinen vertraten die Beibehaltung dieser Tradition mit Nachdruck und wurden aufgrund ihrer Verdienste vom Chor zu Ehrenvorsitzenden ernannt. Nach wie vor gehört es zu den wichtigsten Aufgaben des/der Vorsitzenden, den besonderen Status des Chores bei Ansprechpartnern in Kultur, Politik und Verwaltung immer wieder in Erinnerung zu bringen.


Gleichzeitig muss sich der Chor an seinen eigenen hohen Ansprüchen messen lassen. Der Qualitätsstandard ist durch eine Verjüngungskur Mitte der 1980er Jahre, verpflichtende Stimmbildungsmaßnahmen seit der Ära Davies und Stimmprüfungen der Eintrittsbewerber beständig gehoben worden. Immer noch ein Laienchor kann sich der Philharmonische Chor inzwischen als semiprofessionell bezeichnen. Er veranstaltet eigene Konzerte unter der Leitung des Chordirektors, teilweise in Kammerchorbesetzung. Da Thomas Neuhoff 1983 Kantor an der Lukaskirche in Bonn wurde, kam es immer wieder zur Zusammenarbeit mit der Auerberger Kantorei. 2008 beging Thomas Neuhoff sein 25-jähriges Dienstjubiläum in beiden Institutionen mit einem gemeinsamen Konzert, in dem Mendelssohns 2.Symphonie Lobgesang, Psalm 42 „Wie der Hirsch schreit“ sowie die Hymne „Hör mein Bitten“ erklangen.

Das Repertoire

Neben dem traditionellen Repertoire von Barock bis Romantik widmete sich der Chor auch selten zu hörenden Werken der Spätromantik und des 20.Jahrhunderts. In Bonner Erstaufführungen erklangen zwischen 1991 und 1995 mit The Dream of Gerontius, The Apostles und The Kingdom drei Oratorien von Edward Elgar, von denen der WDR die ersten beiden mitschnitt. 1996 folgten Das Buch mit sieben Siegeln von Franz Schmidt, 1998 Das klagende Lied von Gustav Mahler. Der historischen Aufführungspraxis verpflichtet waren Wiedergaben der Matthäus- und Johannes-Passion Bachs (1995 bzw. 1997) sowie Mendelssohns Paulus (1997). Händels Messiah (1993) und Israel in Egypt (1994) wurden in der englischen Originalversion gegeben. In den 1990er Jahren erschlossen sich Thomas Neuhoff und der Chor auch die Musik der Renaissance mit Monteverdis Marienvesper (1995) und Motetten aus dieser Zeit (2001). Dabei arbeitete der Chor immer wieder mit Originalklang-Ensembles wie der Johann-Christian-Bach-Akademie, dem Concerto con Anima, und der Neuen Düsseldorfer Hofmusik zusammen.


Ein besonderes Anliegen waren die „Konzerte gegen das Vergessen“. Das erste Konzert unter diesem Motto fand 1993 zum 55. Jahrestag der Pogromnacht mit A Child of Our Time von Michael Tippett statt, gefolgt von Aufführungen „Verfemte Musik“ zum 27.Januar 2003, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, und des War-Requiem von Benjamin Britten am 8. Mai 2005 zum 60.Jahrestag des Kriegsendes.


Die Choristen sind stolz darauf, in städtischen Konzerten und auswärtigen Engagements mit namhaften Solisten, Orchestern und Dirigenten zusammen musizieren zu können. Sie schätzen sich jedoch besonders glücklich, wenn sie auf die Reihe junger Künstler blicken, die Thomas Neuhoff mit untrüglichem Gespür für Talente am Beginn ihrer Karriere für die eigenen Konzerte verpflichtete.


Die erfolgreichen Aufführungen ziehen neue Sängerinnen und Sänger an, so dass der Chor auch über eine Beteiligung der Herren nicht klagen kann und zeitweise eine stattliche Tenorriege aufzuweisen hatte. Der Männerchor verstärkte denn auch den Düsseldorfer Musikverein bei Konzerten in Hamburg und Amsterdam (1989). Im gleichen Jahr folgte der Chor einer Einladung nach Japan für eine Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie mit sage und schreibe 10.000 Chorsängern und Chorsängerinnen aus ganz Japan. Die Mitwirkung beim Flandernfestival stand 1994 auf dem Programm. Weitere Konzertreisen und Engagements führten nach Schweden, Frankreich und mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen. Unterschiedlich intensiv wird der Kontakt mit dem Partnerchor Oxford Harmonic Society in gemeinsamen Konzerten in Bonn und Oxford gepflegt, an deren Anfang eine legendäre Aufführung der Carmina Burana mit Brass-Band in der Oxforder Town-Hall im Jahr 1985 stand. Der vorläufige Höhepunkt war ein Galakonzert anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Partnerschaft beider Städte 1997 mit der englischen Originalfassung von Mendelssohns Elias in Bonn.

Konzert 1993 mit Mendelssohns Elias in der Kirche St.Maria-Magdalena in Endenich. Foto: E.-F. Seydel

Sein 150. Jubiläumsjahr beging der Philharmonische Chor 2002 mit einer Fülle von Konzerten, die die Stadt Bonn und die Internationale Beethovenfest GmbH unter das Motto „150 Jahre Philharmonischer Chor“ stellte (erstaunlich die Anzahl der Konzerte von Ende 2001 bis Anfang 2003! s. Chronik). So wurden die Carmina Burana, Schumanns Das Paradies und die Peri, am 4. Dezember 1853 als brandneues Werk zum ersten Mal in Bonn aufgeführt, Mozarts Requiem und – schon fast traditionell zum Jahresende – Beethovens Neunte Sinfonie dargeboten. Der Chor beteiligte sich ferner an einem städtischen Familienkonzert mit weihnachtlicher Musik aus Europa unter der Leitung von Th. Neuhoff. Dazu kam eine Schulaufführung der Carmina Burana, um Kinder und Jugendliche an die klassische Musik heranzuführen – ein Engagement, das der Chor bis heute beibehält – und eine Darbietung von Auszügen von Orffs Werk beim Medienfest der Sender Phoenix und Deutsche Welle auf dem Bonner Museumsplatz.


Der Philharmonische Chor selbst feierte sein Jubiläum mit einer Bonner Erstaufführung der Messe des Lebens von Frederick Delius nach Nietzsches Zarathustra. Er führte damit sein Engagement für selten aufgeführte Werke englischer Komponisten fort. Die Entscheidung für das Werk bestätigte die Entdeckung, dass Friedrich Nietzsche und die 2002 92-jährige Evelin Gerhardi, die als junge Frau zur Entstehungszeit der Messe dem schwerkranken Delius vorgelesen hatte und Informationen aus erster Hand liefern konnte, Mitglieder im Städtischer Gesangverein / Philharmonischer Chor gewesen waren. Neben jungen Solisten musizierte das Philharmonische Orchester Köln, ein Ensemble aus Mitgliedern des WDR-Sinfonie-Orchesters, mit dem der Chor mehrfach kooperierte. Das Konzert wurde vom WDR mitgeschnitten und am 1. April 2002 gesendet.


Wegen des dicht gedrängten Programms leistete der Kammerchor seinen Beitrag zum Jubiläumsjahr erst am 22.Februar 2003 mit einem Hugo-Wolf-Abend im Kammermusiksaal des Beethovenhauses anlässlich des 100. Todestags des Komponisten.

Nach dem Jubiläum

Seitdem sind wieder 20 Jahre vergangen mit vielen großartigen Konzerten und Projekten, von denen nur die herausragendsten und interessantesten erwähnt seien, sowie einem Personal-Wechsel.


Eine besondere Herausforderung war die Uraufführung der Bonner Messe von Christophe Looten unter der Leitung von Thomas Neuhoff im Jahr 2003. Das als Kompositionsauftrag des Beethovenfestes entstandene Werk verbindet Kyrie und Agnus Dei aus der Missa Solemnis Beethovens als Rahmen mit einem ausgiebigen Gloria, einer Litanei in deutscher Sprache, gesungen vom Chor des Bach-Vereins Köln, einem gregorianisch inspirierten Credo (dargeboten von der Schola an der Bonner Münster-Basilika) sowie einem Sanctus aus Lootens überwiegend serieller Feder mit Clusterbildungen. Der Chor bewältigte die Schwierigkeiten sicher und rechtfertigte das Vertrauen der Intendanz des Beethovenfestes, die Uraufführung dieses Werks hauptsächlich in die Hände des Philharmonischen Chores und seines Chordirektors zu legen.


Im November 2004 folgte der Philharmonische Chor einem Engagement und brachte die Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven in Koblenz zur Aufführung. Er nutzte die Gelegenheit, dieses bedeutende und schwierige Werk auch in Bonn darzubieten, diesmal unter eigener Leitung mit der Johann-Christian-Bach Akademie in historischer Aufführungspraxis. Der große Erfolg rief den Chor nach Frankreich, um das Werk im Januar 2005 mit gleichen Solisten und gleichem Orchester beim Festival „La folle journée“ in Nantes und Umgebung aufzuführen.


Sehr ambitioniert war die Aufführung des War-Requiem von Benjamin Britten am 8. Mai 2005 zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in der Beethovenhalle unter der Leitung von Thomas Neuhoff und Edward Higginbottom. Wie von Britten gewünscht, war die Besetzung international:
Solisten, Chöre und Orchester kamen aus den USA, England, Frankreich, Polen, Russland und Deutschland. Rund um das Konzert organisierte der Chor ein vielbeachtetes gesellschaftspolitisches Rahmenprogramm mit rund 30 Veranstaltungen wie Filmen, öffentlichen Diskussionen und Ausstellungen, dem sich die Stadt gerne anschloss.
Mit der gelungenen „Langen Mozart-Nacht“ 2006 wurde der 250. Geburtstag des Komponisten mit einer Vielzahl von kurzen Werken gefeiert, dargebracht von verschiedenen Ensembles unter Beteiligung der Auerberger Kantorei und des Chors des Bach-Vereins Köln. Weil es sich als attraktive Form herausstellte hatte, folgte 2010 die „Lange Schumann-Nacht“ zum 200. Geburtstag Robert Schumanns.


Im Frühjahr 2002 berief der Chor des Bach-Vereins Köln (BVK) Thomas Neuhoff zu seinem künstlerischen Leiter. Gleichzeitig blieb er Chordirektor des Philharmonischen Chores. Als Kammerchor hat der BVK u.a. mit den Oratorien von Händel und den Werken Bachs ein anderes Repertoire als der doppelt so starke Philharmonische Chor, der in Tutti-Besetzung große Chorwerke auf die Bühne bringt, wenngleich er in Kammerchor-Besetzung ebenfalls Werke von Händel und Bach aufgeführt hat. Wie in Bonn erarbeitete sich Thomas Neuhoff mit seinem neuen Chor in Köln schnell ein Renommee. Als Mitglied im Netzwerk Kölner Chöre hat der BVK Zugriff auf die Kölner Philharmonie, deren Intendanz den Netzwerk-Mitgliedern diesen großartigen Konzertraum einmal im Jahr günstig zur Verfügung stellt. Davon profitierte auch der Philharmonische Chor bei gemeinsamen Konzerten mit dem BVK, wie 2004 den Szenen aus Goethes Faust von Robert Schumann und 2007 dem Buch mit sieben Siegeln von Franz Schmidt.


Diesem Renommee ist auch das Interesse des Gürzenich Orchesters Köln zu verdanken, mit Thomas Neuhoff und seinen Chören zusammenzuarbeiten. Für eine Aufführung von A Child of Our Time von Michael Tippett und In Terra Pax von Frank Martin 2009 leitete Neuhoff zum ersten Mal das Orchester. Es folgten 2012 Belshazzar’s Feast von William Walton / Une Cantate de Noël von Arthur Honegger sowie 2016 Mass von Leonard Bernstein.
Dazwischen erhielt der Philharmonische Chor die Einladung zur Teilnahme an Gustav Mahlers Sinfonie Nr.8, „Sinfonie der Tausend“ im November 2011 in der Kölner Philharmonie mit dem Gürzenich Orchester, mit deren Aufführung das 25-jährige Bestehen der Philharmonie gefeiert wurde. Durch das anregende Dirigat des Kölner GMD Markus Stenz wurde es ein ergreifendes Konzerterlebnis, das den Chor motivierte, sich als Verstärkung des BVK an den Kölner Aufführungen der Gurrelieder von Arnold Schönberg an vier Abenden im Juni 2014 zu beteiligen.


Eine ganz besondere Würdigung der exzellenten Arbeit Thomas Neuhoffs mit seinen Chören war die Einladung des Philharmonia Orchestra London unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen, im September 2013 in der Kölner Philharmonie und auf dem Luzerner Musikfestival Roméo et Juliette von Hector Berlioz aufzuführen. Da der Chor des Bach-Vereins terminliche Schwierigkeiten hatte, übernahm der Philharmonische Chor diese Aufgabe. Die erfolgreiche Zusammenarbeit wurde im September 2015 fortgesetzt mit der Darbietung der Neunten Sinfonie von Beethoven in Dortmund und Köln unter der Leitung von Christoph von Dohnányi.


Mit seinem größten Konzert, der Mass von Leonard Bernstein, verabschiedete sich Thomas Neuhoff nach über 30 Jahren als Chordirektor des Philharmonischen Chores. Die Kölner Erstaufführung im Rahmen des Festivals „Acht Brücken. Musik für Köln“ am 10. Mai 2016 in der Kölner Philharmonie zusammen mit dem Chor des Bach-Vereins war wegen der erforderlichen Teilensembles eine durchaus ambitionierte Aufgabe, die dem Dirigienten souverän gelang.


In der halbszenischen Darstellung mit jungen Solisten unter der Regie von Martin Füg, dem Sohn des ehemaligen Chorleiters brillierte Jubilant Sykes als Celebrant, begleitet vom Gürzenich Orchester Köln und dem Matt Herskowitz Jazz-Trio aus New York.

Es ist überaus bedauerlich, dass es Thomas Neuhoff wegen der Einschränkungen aufgrund der Corona Pandemie nicht vergönnt war, sich 2020 mit einem ähnlich spektakulären Konzert vom Chor des Bach Vereins zu verabschieden. Unter dem Titel „I hear America singing“ sollten Vertonungen von Gedichten des amerikanischen Dichters Walt Whitman aus dem 19. Jahrhundert erklingen: u.a. das Flieder-Requiem von Paul Hindemith und Four Walt Whitman Songs von Kurt Weill.


Neben den erwähnten Werken brachte der Chor die Passionen Bachs, Händels Messiah, Beethovens Neunte Sinfonie, die Requiem-Kompositionen von Brahms, Dvorak, Fauré und Mozart zum Teil mehrfach sowie viele größere und kleinere Stücke zur Aufführung. Darunter befanden sich auch interessante Neuentdeckungen.


Die zeitweilige Dichte der Konzerte machte Parallelproben notwendig. Dafür stand von 2008 bis 2012 der amerikanische Musikstudent Daniel Spaw als Korrepetitor und Assistent zur Verfügung. Er leitete auch selbst einige Konzerte, wie zum Beispiel 2009 Händels Messiah und das Requiem von Brahms in den Jahren 2010 und 2011. Mit Aufführungen von Brahms‘ 2.Sinfonie 2011 sowie der Rheinischen Sinfonie von Schumann im Rahmen der Langen Schumann-Nacht 2010 konnte der jetzige GMD in Bad Reichenhall Erfahrung im Dirigieren von Instrumentalwerken sammeln. Ihm folgte von 2012 bis 2015 Vladimir Tarasov im Amt.

Stets gut besucht sind die Benefizkonzerte, die der Chor seit 2008 in der Kapelle auf dem Alten Friedhof zugunsten der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Alten Friedhofs in Bonn e.V. durchführt. Damit leistet der Chor einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung des kulturhistorisch bedeutsamen Friedhofs.Da Robert und Clara Schumann sowie die Wagner-Freundin Mathilde Wesendonck hier begraben sind erklangen vor allem Werke des Ehepaars Schumann, von Johannes Brahms und von Richard Wagner. Eine Entdeckung waren die Kompositionen von Ella Adaiewsky, die ebenfalls hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Seit 2017 beschreitet der jetzige Chordirektor Paul Krämer neue Wege: Es gibt musikalische Friedhofsführungen mit Musik direkt an den Gräbern, ausgeführt von kleinen Chorensembles. 2017 wurden in einem interessanten Konzert Stücke von Hildegard von Bingen Werken zeitgenössischer Komponisten gegenübergestellt. In einem weiteren Konzert erklangen Werke von Gabriel Fauré, darunter sein Requiem.


Im Jubiläumsjahr der Universität 2018 wurden während der Friedhofsführung Gräber von Professoren der Hochschule aufgesucht, u.a. die Gräber von Breidenstein und Heimsoeth. In den Konzerten wurde die Motette Jesu meine Freude von J.S. Bach dargeboten.

2019 erklangen unter dem Titel Rheinromatik Romanzen und Balladen von Robert Schumann sowie Fünf Gesänge für Chor a capella von Johannes Brahms, die Auszüge aus Acht Stücke für Klarinette, Viola und Klavier von Max Bruch umrahmten.


Im Sommer 2020 wurden Ausschnitte aus Ludwig van Beethovens Bonner Kantaten zum Tod Kaiser Joseph II und zur Erhebung Leopolds II zum Kaiser open air mit Klavierbegleitung dargeboten. Eigentlich hätten sie in einem Festkonzert zum Beethoven-Jubiläum erklingen sollen, das Aufgrund der Corona Pandemie abgesagt werden musste. Nach den Lockerungen der Schutzmaßnahmen fand sich die Lösung: Der Chor war mit Abständen gemischtstimmig im Halbkreis vor der Kapelle aufgestellt, was eine überraschend gute Akustik für die Zuhörer ergab, die verteilt bestuhlt auf der Wiese saßen.


In den Jahren 2007 und 2016 stieg die Zahl der Kammerchorprojekte, die meist im Kammermusiksaal des Beethovenhauses zur Aufführung kamen. Vor großen Konzerten mit Werken von Delius, Britten, Walton, Elgar und Bernstein hatten diese oft die Form von Komponistenporträts. Thomas Neuhoff als Moderator zeigte anhand von musikalischen Beispielen, wie das projektierte Großwerk in Leben und Œuvre des Komponisten einzuordnen ist. Außerdem gab es Einführungsveranstaltungen zur Vermittlung von Hintergrundinformation über das Werk des Konzerts.


Zwei Komponistenporträts standen für sich. 2015 die »Hommage a Komitas Vardapet. Zum 80.Todestag des „Vaters der armenischen Musik“«. Bereits 2012 gestaltete der Chor ein Porträt von Arnold Schönberg, in dessen Mittelpunkt eine Aufführung von Pierrot Lunaire für eine Sprechstimme und fünf Instrumentalisten stand, einer Vertonung von 21 symbolistischen Gedichten. Hierfür wurden von Jugendlichen im Rahmen eines Schülerprojekts Paravents für das Bühnenbild hergestellt. Andere hatten Pantomime einstudiert, mit denen sie die Aussage des Gesangs ergänzten.

Schülerprojekte – Die Arbeit mit SchülerInnen

Gefördert von verschiedenen Stiftungen initiierte der Philharmonische Chor, teils zusammen mit dem Chor des Bach-Vereins, von 2005 bis 2016 Jugendprojekte, um Schüler unterschiedlicher Schulen in Bonn und Umgebung auf vielfältige Art im Rahmen ihres Unterrichts in Deutsch, Englisch, Religion, Philosophie und Kunst für die Themen musikalischer Werke zu sensibilisieren. Diese wurden politisch, gesellschaftlich oder kulturell aufgearbeitet und in Beziehung zu ihrem Leben und Empfinden gesetzt. Nicht zuletzt war die musikalische Nachwuchsförderung, das praktische Heranführen an Solo- und Chorgesang sowie Instrumental- und Theaterspiel das Ziel, und die Begegnung des Publikums von morgen mit der (E-)Musik (näheres hier). Die Ergebnisse von fächerübergreifenden Schüleraktivitäten wurden abschließend in zentralen Präsentationen vorgestellt. Die Projektkonzeptionen stammten vom Chormitglied Eva de Voss).


Dazu einige Beispiele: Es gab Stellungnahmen zu Krieg und Frieden im Begleitprogramm zum War-Requiem von Benjamin Britten oder parallel zu Michael Tippetts A Child of Our Time , wie sich „Kinder unserer Zeit“ fühlen. Als Kompositionsprojekt konzipiert,sollten die SchülerInnen, von denen viele einen Migrationshintergrund hatten, in selbst erarbeiteten Texten und Kompositionen Alltagserfahrungen und ihre Stellung in einer multikulturellen Gesellschaft reflektieren und ausdrücken. Daraus entwickelte sich 2010/2011 das konzertungebundene Projekt „Mein gelobtes Land“ mit Rabih Lahoud mit dem Ziel, über die Stimme eigene kulturelle Identität, Selbstbewusstsein und Kraft zu finden. Höhepunkt der Schülerpräsentation des Projektes zu Meeresstille und glückliche Fahrt Ende 2013 war eine im Sportunterricht entstandene Tanzsequenz zu Beethovens Komposition auf Goethes Gedicht.


Daneben wirkten Schüler auch in den Konzerten des Philharmonischen Chores mit, so beispielsweise an Arthur Honeggers Une Cantate de Noël Ende 2012 in der Kölner Philharmonie. Damit Schüler Choräle in den Passionen Bachs mitsingen können, entstanden 2012 und 2014 die beiden Projekte „Kinder singen Bach“, das zweite auf Anregung des damaligen GMD Blunier für die Mitwirkung in einem städtischen Konzert.
Dies war auch eine Anerkennung des musikpädagogischen Engagements von Thomas Neuhoff, der – unter Beteiligung des Chores – unabhängige Schülerprojekte durchführte, bei denen Kinderopern einstudiert wurden. So wurde Noah und die Flut von Benjamin Britten mehrfach ab April 2006 sowie im Januar 2007 szenisch aufgeführt (Regie: Chormitglied Heike Heinen) sowie dessen Kantate Saint Nicolas Ende 2014. Hierfür erarbeiteten Schüler u.a. deutsch-türkische Einführungstexte und Spielszenen zu markanten Episoden der Heiligenvita, die in die Konzerte eingefügt wurden. Bei der Einstudierung von Brundibár von Hans Krása Ende 2007 wurden den Mitwirkenden vermittelt, dass die Kinder in Theresienstadt 1943/44 durch die Konzentration auf die Erarbeitung und mehr als 50-malige Aufführung der Kinderoper für Momente die Schrecken ihrer Lebensumstände vergessen konnten. Die lebenserhaltende Funktion von Musik in dem Konzentrationslager ist auch das Thema einer Auftragskomposition des Philharmonischen Chores aus dem Jahr 2010, die Jugendoper Die Mädchen von Theresienstadt von David Paul Graham (Libretto: Chormitglied Kerstin Baldauf). Die Inszenierung wurde zur zentralen Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2011 nach Berlin eingeladen.
Auch zu Leonard Bernsteins Mass gab es 2016 ein breitgefächertes Schülerprojekt. Das außermusikalische Begleitprogramm mit verschiedenen Gesichtspunkten (Glauben, Entstehungszeit, Schreibstil des Librettos) hatte wegen der komplexen Thematik vor allem SchülerInnen der Jahrgangsstufen 11 und 12 im Blick. Ein Jugendchor der beteiligten Schulen wurde für die Teilnahme an der Aufführung in der Kölner Philharmonie trainiert.
Die Schülerprojekte werden auch unter Paul Krämers Leitung weitergeführt. Innerhalb des Chors hat Ute Poschenrieder die Projektleitung übernommen. Angesichts des Klimawandels und dem Engagement vieler Jugendlicher in der Fridays for Future-Bewegung stand das Projekt von 2018 zum Konzert mit Haydns Schöpfung unter dem Titel „Die Schöpfung bewahren“.

Das Projekt 2020 fiel wie das Werk, auf das es sich beziehen sollte, der Corona-Pandemie zum Opfer: Thematisch an Mozarts Requiem anknüpfend war geplant, „Abschied“ in verschiedenen Facetten zu untersuchen.

Es geht weiter

Nach über 30 Jahren ging im Mai 2016 die Ära Neuhoff mit der spektakulären Aufführung von Leonard Bernsteins Mass zu Ende. Neuer Chordirektor wurde Paul Krämer. Der Chor hatte ihn anlässlich der Aufführung der Gurrelieder in Köln 2014 (s.o.) kennen und schätzen gelernt, als u.a. er als Leiter der Kartäuserkantorei Köln das Einsingen der vereinigten Chöre übernahm. Sein Debut als Dirigent des Phiharmonischen Chores gab er am 5. Dezember 2015 mit dem Weihnachts-Oratorium von Bach in einer frischen und spritzigen Interpretation, die die Chormitglieder begeisterte. Im Dezember 2016 leitete er in seinem zweiten Konzert mit dem Philharmonischen Chor dessen Kammerensemble mit Quartetten von Brahms. 2018 absolvierte Paul Krämer mit einem Konzert der Kartäuserkantorei Köln seinen Abschluss im Masterstudiengang Dirigieren an der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit Auszeichnung.

Sein 165-jähriges Jubiläum im Jahr 2017 konnte der Philharmonische Chor mit vielen großartigen Konzerten  begehen, angefangen mit dem War-Requiem von Benjamin Britten unter der Leitung von Interims-GMD  Christof Prick am 14. April 2017. Diese Aufführung fand im World Conference Center statt, da die  Beethovenhalle seit November 2016 saniert wird. Prick hatte am gleichen Ort im Rahmen der Beethoven Nacht am 16. Dezember 2016 schon Beethovens Messe C-Dur geleitet. Es folgten die Benefizkonzerte auf  dem Alten Friedhof mit drei verschiedenen Programmen. Ausschnitte aus Glucks Orphée et Euridice waren im Rahmen des Beethovenfestes im September unter der Leitung von Sébastien Rouland zu hören. Mit der  Neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven ging der Philharmonische Chor im November über Grenzen und konnte Dirigent Christian Arming, das Orchestre Philharmonique Royal de Liège sowie das Publikum in  St.Vith und Lüttich so begeistern, dass eine Folgeeinladung im Gespräch war.  

Es blieb im Dezember 2017 jedoch auch noch Zeit für ein eigenes Konzertprogramm. Die Kantaten Nun  komm der Heiden Heiland, BWV 62, Herz und Mund und Tat und Leben, BWV 147 sowie das Magnificat,  BWV 243 von Johann Sebastian Bach wurden in Bonn und Oberhausen dargebracht.

In der ersten Jahreshälfte 2018 war neben dem Stabat Mater von Antonin Dvořák Mahlers Achte Symphonie unter der Leitung von Adam Fischer in der Düsseldorfer Tonhalle das Highlight.  

Aufführungen von Guiseppe Verdis Requiem in Bonn und Brüssel unter der Leitung von GMD Dirk Kaftan  bzw. von Eric Delson im November 2018 waren das Ergebnis einer durch den Chor initierten Kooperation mit  der Brussels Choral Society, die fortgeführt werden soll. 

Die meisten Menschen singen gerne. Um dem Rechnung zu tragen sind in den letzten Jahren sogenannte  Publikumskonzerte durchgeführt worden, die sogar Stadien füllten. Auch Dirk Kaftan und dem Beethoven  Orchester Bonn ist dies ein Anliegen, und so sangen Bonner Konzertbesucher im Januar 2019 Stücke von  Verdi und Mozart. Natürlich durfte auch Freude schöner Götterfunken nicht fehlen.  

Im Karfreitagskonzert 2019 glänzte der Männerchor mit Arnold Schönbergs Ein Überlebender aus Warschau sowie Krzyszof Pendereckis Kadisz. Mit der Schöpfung von Joseph Haydn setzte der PhilChor einen eigenen  Schlusspunkt unter die Konzertsaison 2018/19. 

In der Adventszeit 2019 folgten Aufführungen des Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saëns und des  Gloria von Antonio Vivaldi als eigene Konzerte in Remagen und der Bonner Lutherkirche. Zum Auftakt des  Beethovenjahres war der PhilChor an einer Darbietung der Neunten Sinfonie in der langen Beethovennacht  am 21.Dezember 2019 beteiligt.  

2020 mussten nach und nach alle projektierten Konzerte wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden  (Verdis Quattro Pezzi Sacri, Tippets A Child Of Our Time, Beethovens Neunte Sinfonie, später als Ersatz  dessen Die Ruinen von Athen und die Chorsymphonie). Proben fanden nur noch online statt. Sie bieten nur  ein reduziertes Gemeinschafterlebnis, da man die ChorsängerInnen zwar sehen, aber wegen der  ausgeschalteten Mikrofone nicht hören kann. Immerhin gelang es zu Weihnachten – dem Beispiel der in  diesem Jahr vielfach durchgeführten virtuellen Video-Chorprojekten folgend – durch das Mischen von  eingesandten Akustik-Aufnahmen der einzelnen Choristen ein befriedigendes gemeinschaftliches  Klangergebnis von Weihnachtsliedern zu erzeugen, die auf der Homepage zu hören sind.  

Anfang 2021 konnten die Online-Proben durch ein neues Programm verbessert werden, sodass auch wieder  die Arbeit am Gesamtklang einigermaßen möglich war, an die die Präsenzproben nahtlos anschließen 

konnten. Am 19./20. Juni 2021 wurden internationale Volkslieder auf dem Alten Friedhof dargeboten. Mit  Engelbert Humperdincks Königskinder am 4. September im Rhein-Sieg Forum Siegburg war der  Philharmonische Chor am Beethoven Fest beteiligt. Ein Konzert mit dem Elias von Felix Mendelssohn  Bartholdy folgte am 26. September in einem gemeinsamen Konzert mit der Kartäuserkantorei Köln in der  Philharmonie Köln. Unter dem Konzerttitel Abschied erklangen Wolfgang Amadé Mozarts Requiem und Jan  Dismas Zelenkas Miserere am 20./21. November. 

Im ersten Halbjahr 2022, dem 170sten Jahr seines Bestehens, stehen vorerst zwei Konzertereignisse auf dem Programm des Philharmonischen Chores. Am Karfreitag, 15. April ist das Requiem von Johannes Brahms in  einem nachgeholten Konzert mit dem Beethoven Orchester Bonn vorgesehen, das 2021 Corona bedingt  abgesagt werden musste. Mit den Darbietungen auf dem Alten Friedhof am 27./28. August beteiligt sich der  Philharmonische Chor an den Feierlichkeiten zur Würdigung der 75-jährigen Städtepartnerschaft zwischen  Bonn und Oxford, einer der ersten zwischen Städten der ehemaligen Feinde im 2. Weltkrieg. Der Chor betont  damit seine eigene langjährige Verbundenheit mit der englischen Partnerstadt. Es werden das Stanford Requiem als auch Englische Madrigale erklingen.  

170 Jahre Städtischer Gesangverein / Philharmonischer Chor der Stadt Bonn e.V. – nach dem schwierigen  Akt der Gründung und Einstellung eines städtischen Musikdirektors, schwankenden Mitgliederzahlen im  ersten halben Jahrhundert, Musikdirektoren, die umstritten waren, weil angeblich nicht modern genug,  schweren Kriegs- und wirtschaftlichen Krisenzeiten, Jahren des Taktierens in der Diktatur, der glänzenden  Epoche als Konzertchor der Bundeshauptstadt und der Umwandlung in einen selbständigen eingetragenen  Verein mit eigenverantworteten Konzerten, deren größte Frederick Delius’ Messe des Lebens und Mass von  Leonard Bernstein waren: Der in mehr als anderthalb Jahrhunderten wechselvoller Geschichte auch dank der  künstlerischen und politischen Leiter bewiesene Selbstbehauptungswille gibt dem Philharmonischen Chor,  trotz reduzierter Bundesmittel und angespannter städtischer Haushaltslage, – et hätt noch immer joot jejange,  schließlich leben wir im Rheinland – Zuversicht für die Zukunft. 

Text: Eric F. Lange, MA

Literatur

  • Theodor Anton Henseler: “Der Bonner Städtische Gesangverein – Vorgeschichte, Gründung und Chronik 1852 – 1952”, Bonn 1953, Sonderdruck aus “Ein Beitrag zur Musikgeschichte der Beethovenstadt” in Band VII der “Bonner Geschichtsblätter”, Bonn 1953
  • Theodor Anton Henseler: “Das musikalische Bonn im 19.Jahrhundert – aus Anlaß der Einweihung der neuen Beethovenhalle am 8.September 1959”, Bonn 1959. Auch als Jahrbuch des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins “Bonner Geschichtsblätter” Band 13 erschienen 
  • Hans-G. Schürmann: “Der Philharmonische Chor der Stadt Bonn in Geschichte und Gegenwart. Zur Chronik der Jahre 1952-1977 aus Anlaß des 125jährigen Bestehens des Chores im Dezember 1977”, in Band 30 der “Bonner Geschichtsblätter”, Bonn 1978, auch als Sonderdruck/Festschrift vorliegend
  • Werner Schulz-Reimpell: “Vom kurkölner Hoftheater zu den Bühnen der Bundeshauptstadt – 125 Jahre Bonner Stadttheater”, Bonn 1983
  • Edith Ennen/Dietrich Hörold: “Kleine Geschichte der Stadt Bonn”, Bonn 1968 
  • Zeitungsannoncen in der “Bonner Zeitung/Bonner Wochenblatt” von 1852
  • Anonym: „Zur Musikgeschichte der Stadt Bonn“, in „Jahrtausendfeier der Stadt Bonn. Musikfest 1925“, Bonn 1925
  • Marion Lienig: „Bürgerliche Musikkultur in Bonn: Das ‘Album’ des Andreas Velten – eine Quelle zur Bonner  Musikgeschichte aus dem 19.Jahrhundert“, Bonn 1995

Lux aeterna

So 03.11.2024 11:00 • Kölner Philharmonie

Programm Charles Villiers Stanford Requiem op. 63für Soli, Chor und Orchester   Mitwirkende Anjas Petersen, SopranUlrike Malotta, AltPatrick Grahl, TenorDaniel Ochoa, BassPhilharmonischer Chor der Stadt Bonn e. V.Kartäuserkantorei KölnKölner

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Mi 18.12.2024 17:00 • Bonner Innenstadt

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